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Ist der Text oben zu klein? Nachfolgend der gleiche Text, etwas grösser:

 

Freiheit

 

Ich muss eine Kolumne schreiben. Was heisst hier muss? Ich darf! Meine erste Kolumne überhaupt. Schwitz! Hoffentlich wird sie auch gedruckt, im „reformiert“. Das Thema sei frei. Frei! Nochmals schwitz! Wie soll ich dem gerecht werden? Wie schreibt man fürs „reformiert“? Gibt es keine Vorgaben, was man im „reformiert“ schreiben darf und was nicht? Es kann doch nicht sein, dass ich über alles schreiben kann! Kommt dazu, dass ich keinesfalls ein fleissiger „reformiert“-Leser bin. Ich blättere meist durch, fliege mit den Augen über die Seiten, bleibe manchmal hängen. Jedes „reformiert“ hat doch ein Hauptthema. Und wenn meine Kolumne nun quer zum Thema des „reformiert“ liegt? Das ist mir der Freiheit zu viel.

Würden das die Freidenker auch so sehen? Sie wollen das „reformiert“ aus den Briefkästen verbannen, fühlen sich von religiöser Werbung belästigt, wollen überhaupt die Religion aus der Öffentlichkeit verbannen. Ist Religion so schlimm? Hat sie so viel Schlechtes gebracht – und nichts Gutes? Verdreht sie unser Denken - oder biegt sie das Denken gerade? Wie sieht’s mit anderen Weltanschauungen aus, z.B. dem Kapitalismus?

 

Wie ist das denn mit der Freiheit? Ist sie ein Segen oder ein Fluch? Eine Vorgabe für die Kolumne hätte meine Aufgabe zweifelsohne erleichtert. Ohne Vorgabe laufe ich Gefahr, etwas zu schreiben, das nicht ins „reformiert“ passt. Zum Beispiel einen Krimi mit Erotik gepfeffert. Wäre vielleicht ein Renner, aber passt kaum ins „reformiert“. Kann ich mir alles erlauben? Oder hat Freiheit auch Grenzen?

 

Wie ist das mit den Gedanken? Schwingen sie sich nicht oft in die Höhen und Tiefen der Seele? Wenn ich meinen Gedanken freien Lauf lasse, wo führt mich das hin? Und was geschieht, wenn ich sie auslebe? Nun, wenn mich jemand verletzt, finde ich mich in meinem Kopfkino schnell dabei, mich zu rächen. Da kommen Gedanken auf, die manchen Krimi in den Schatten stellen. Kennen Sie das auch? Oder wenn ich nach einem harten Arbeitstag müde und niedergeschlagen bin, finde ich mich in meinen Gedanken dabei, alles hinzuschmeissen und mich nur noch auf die faule Haut zu legen. Oder wenn ich Sehnsucht nach Wärme und Zuneigung habe und eine attraktive Frau meinen Weg kreuzt. Wohin schweifen dann meine Gedanken? Spielt sich dann im Kopfkino eine Liebesgeschichte ab, die rasch im Bett landet?

Wohin führen mich Sehnsüchte und Gedanken, wenn sie grenzenlos frei sind? Und wenn den Gedanken Taten folgten? Ist das gut? Ist das Freiheit, wenn ich denke, was ich alles tun könnte und tue was ich alles denke? Ist es das, was die Freidenker wollen? Oder haben auch sie Grenzen?

 

Ich bin froh, dass ich meine Freiheit nicht grenzenlos auslebe. In extremis würde wohl manche „Leiche“ meinen Weg pflastern. Nein danke, ich verzichte auf völlige Freiheit. Gerne lasse ich mir Grenzen setzen, die mich frei machen. Und das ist es, was ich am christlichen Glauben schätze:

 

In Freiheit und von Liebe durchdrungen,

mir Grenzen geben zu lassen,

im Denken und Tun,

die mich nicht gefangen halten,

sondern die mich

und meine Mitmenschen

frei atmen lassen.

 

 

erschienen im 'reformiert' vom August 2010

© Joffrey Benedetto Asta

CH-3237 Brüttelen

 

 

ben-detto | Geschichten zum 'Davonlaufen' | Joffrey Benedetto Asta

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Geschichten zum 'Davonlaufen' von Joffrey Benedetto Asta

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