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Die Fleischspionin
„Peter, komm schnell!“, ruft Trudi aufgeregt durchs alte Haus. Peter kennt diesen Ton in der Stimme seiner Frau: Es eilt! Die alte Holztreppe knarrt unter seinen Pantoffeln. Seine nicht mehr jungen Knie schmerzen beim hinuntergehen. Unten angekommen zieht der typische Modermief eines alten Kellers, der Geruch von Katzenfutter und von bereitgestellten Abfallsäcken durch seine Nase. Nun gesellt sich der Duft von Wurst hinzu. Trudi hält ihm mit zittriger Hand eine Scheibe Kalbsbratwurst vors Gesicht und schaut ihn fragend durch ihre dicken Brillengläser an: „Rate mal, wo ich die gefunden habe?“
Peter schaut sich im Keller um: „Keine Ahnung.“
„Diese Wurstscheibe lag in einem der Futterschalen für unsere Kätzchen. Sieh, es hat noch mehr!“ Trudi zeigt in den Garten hinaus, wo die putzigen Vierbeiner ihre Köpfe in die Näpfe stecken.
„Wieso gibst du den Kätzchen Bratwurst? Reicht das Trockenfutter nicht aus?“
„Ich dachte, du warst das.“
„Ich? Nein! Wieso auch. Und sowieso, würde ich keine Bratwürste verfuttern! Die esse ich lieber selber“, sagt Peter und tätschelt seinen runden Bauch.
„Das ist merkwürdig“, entgegnet Trudi, „vor einer halben Stunde habe ich die Schälchen mit Trockenfutter gefüllt und als ich gerade daran vorbeiging, lagen die Wurstscheiben drin.“
„Nun, wenn wir es nicht waren, wer dann?“, fragt sich Peter Stirn runzelnd und inspiziert die Scheibe. „Die sieht aus, als käme sie direkt aus einer Bratpfanne.“
„Das muss ein Nachbar gewesen sein!“, bringt Trudi ein.
„Ein Nachbar? Aber unsere Nachbarn gehen doch nicht ohne zu klingeln in unseren Garten. Und sowieso, die haben selber Haustiere.“
„Wer war’s dann?“
„Vielleicht jemand vom Dorf.“ Peters Wangen röten sich. Wer getraut sich, einfach so, sein Grundstück zu betreten? Das kann er 'gopf verdeli' nicht ausstehen!
Da kommt Trudi ein schrecklicher Gedanke: „Oh, mein Gott! Peter, die sind bestimmt vergiftet! So ein Tierhasser will unsere Kätzchen umbringen!“
Trudi, bleich, und Peter, rot, stehen im Kellerausgang zum Garten und starren sich entsetzt an. „Oh nein“, schluchzt Trudi und tritt in den Garten hinaus. Peter seufzt bedrückt. Plötzlich hört er Trudi aufschreien: „Peter! Schnell!“
Sofort eilt er in den Garten. Trudi zeigt leichenblass auf die Futterschalen. Darin liegen erneut Wurstscheiben. Diesmal von einer Schweinsbratwurst.
„Das gibst doch nicht!“, stutzt Peter. „Wir standen ja die ganze Zeit beim Kellerausgang. Das hätten wir bemerkt, wenn jemand da gewesen wäre!“
„Peter, das war bestimmt ein Geist. Ich hab Angst!“
Trudi droht ohnmächtig zu werden. Peter stützt sie mit seinen kräftigen Armen. Just in diesem Augenblick kommt die Katzenmutter um die Hausecke gelaufen. Sie geht direkt zu den Futterschalen und legt sanft einen Kotelette-Knochen hinein. Peter und Trudi schauen sich ungläubig an. Dann bemerken sie, wie die Katzenmutter wieder davon stiebt. Peter folgt ihr mit gebührendem Abstand und sieht, wie die Katze beim Bauernhof des Nachbarn einen weiteren Kotelette-Knochen aus einem Hundefutternapf schnappt und zurück eilt. „Tja“, sagt Peter zu sich selbst, „schon wieder habe ich mich geärgert und geängstigt für nichts. Es kommt meist besser, als man denkt!“
Am Abend am Stammtisch zählt Peter seinem Nachbarn auf, was dieser kürzlich gegessen habe. Verdutzt will der wissen, wie er denn 'gopf verdeli' darauf komme!
„Wir haben neuerdings eine Fleischspionin!“, schmunzelt Peter.
erschienen im 'reformiert' vom Januar 2012
© Joffrey Benedetto Asta
CH-3237 Brüttelen